EU-Kindergeldrecht
Die Materie des Kindergeldes, insbesondere bei Auslandsbezug (grenzübergreifende Sachverhalte) unter Anwendung der Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit VO (EG) Nr. 883/2004 und DVO (EG) Nr. 987/2009 ist sehr kompliziert. Durch die neusten Rechtsprechungen des Bundesfinanzhofs (BFH), wie auch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) (Stichwort Hudzinski) ist die Frage, ob ein Kindergeldberechtigter Anspruch auf Kindergeld hat, für einen Laien so schwer geworden, dass die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe zwingend geboten ist.
Im Bereich des „EU-Kindergeldes“ können sich eine Reihe klassischer Problemfelder ergeben.
Haben grundsätzlich kindergeldberechtigte Eltern Berührungspunkte zu verschiedenen EU-Staaten, kann es zu
konkurrierenden Kindergeldansprüchen
in den EU-Mitgliedsländern kommen. In diesen Fällen ist der Anspruchsvorrang anhand von EU-Verordnungen zu klären. Doch wie die Praxis zeigt, treten in dieser hochkomplexen Materie immer wieder Anwendungsprobleme auf.
Aus der einschlägigen Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit VO (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit der Durchführungsverordnung EG Nr. 987/2009 kann sich ein Anspruch auf volles deutsches Kindergeld oder zumindest sog. Differenzkindergeld ergeben, wenn selbst die Kinder bei einem Elternteil mit im europäischen Ausland leben. Möglich wird dies durch die im EU-Recht verankerte Wohnsitzfiktion
für Ansprüche auf Kindergeld in grenzüberschreitenden Sachverhalten. Danach ist die gesamte Familie so zu behandeln, als würden sie alle gemeinsam in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Leistungen, also das Kindergeld, beansprucht wurden.
I. Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts im Ausland
Kindergeld erhält vorrangig derjenige, der das Kind in seinem Haushalt versorgt und betreut. Was sich sowohl logisch als auch vernünftig anhört, birgt gerade in Fällen bei Kindergeld mit Auslandsbezug manchmal Problempotential. Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts
und die Aufnahme des Kindes sind für die Anspruchsprüfung auf Kindergeld aber essentiell.
Oftmals entstehen in diesem Zusammenhang Missverständnisse, die fast immer zur Ablehnung des Anspruchs führen.
1. Bei grenzübergreifenden Sachverhalten gilt folgendes zu beachten: Je größer die räumliche und zeitliche Distanz
des Kindergeldberechtigten zum Haushalt ist, in dem sich das Kind aufhält, desto schwieriger ist die Annahme
für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes. Auch ist mitentscheidend, ob es sich bei dem Kind um einen Säugling, ein Kleinkind oder um ein volljähriges Kind handelt.
2. Wie ist die Rechtslage, wenn das im Ausland lebende Kind dort durch die Großeltern
versorgt und betreut wird, während sich der Kindergeldberechtigte für längere Zeit in Deutschland aufhält?
3. Ändert sich die Rechtslage im o.g. Sachverhalt, wenn der Kindergeldberechtigte Eigentümer der o.g. Immobilie ist, in der die Kinder durch die Großeltern betreut und versorgt werden?
4. Wie gestaltet sich die Rechtslage, wenn die Großeltern durch den Kindergeldberechtigten wiederkehrend finanziell unterstützt
werden?
5. Wie ist die Rechtslage, wenn das im Ausland lebende Kind dort durch den vom Kindergeldberechtigen getrennt lebenden Ehegatten
versorgt und betreut wird?
6. Ändert sich die Rechtlage im Sachverhalt 4, wenn der Kindergeldberechtigte
in Deutschland von seinem Heimatland entsandt
wurde? Die Antwort liefert die Rechtsprechung „Hudzinski“.
II. Kind im eigenen Haushalt
Bei Kindern, die wegen eines Studium oder einer Ausbildung in einem
eigenen Haushalt
im Ausland leben, steht das Kindergeld demjenigen zu, der dem Kind eine
Unterhaltsrente zahlt. Erhält das Kind von mehreren Personen, z. B. seinen geschiedenen Eltern, eine Unterhaltsrente, ist die höhere Unterhaltsrente maßgeblich. An das Kind weitergeleitetes Kindergeld zählt dabei jedoch nicht zur Höhe der Unterhaltsrente. Hierbei ist das Vorliegen des Kontaktes des Kindergeldberechtigten zum Kind durch die Familienkasse zu überprüfen.
Kurzfristige Kontakte
zum Kind, wie sie sich insbesondere durch ein Umgangsrecht ergeben, ändern dabei nichts an der Haushaltszugehörigkeit des Kindes. Auch
Aufenthalte in den Ferien
beim anderen Elternteil können bei der Haushaltszugehörigkeit außer Betracht bleiben, sofern sie
gewisse Schwellenwerte
nicht überschreiten.